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Und frei bist Du noch lange nicht...
Stern, Adriana
2016


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Und frei bist Du noch lange nicht...
Stern, Adriana
376 Seiten, Ariella Verlag

Cover

Klug ist er gewählt, der Titel für diesen Roman, der auf leichte Weise vom schwierigen Ankommen in einer neuen Heimat erzählt. Denn im abgewandelten Abzählreim (eigentlich: „raus bist Du noch lange nicht“) steckt viel drin: Die ernüchternde Erkenntnis, dass nach der gelungen Flucht noch längst nicht das Ende der Odyssee erreicht ist; dass der Zufall seine Hand im Spiel hat und bestimmt, wer es schafft; aber auch die Erinnerung an die befreiende Kraft von Kinderspielen, die Generationen und Katastrophen überdauern. In Und frei bist Du noch lange nicht… dominiert diese grenzüberwindende, zuversichtliche Kraft: Dank ihres Spiel- und Abenteuertriebs gelingt es einer Gruppe von Flüchtlings-kindern, nicht nur ihr Recht auf Frieden, Schutz und Leben, sondern auch auf Gleichberechtigung, Wachsen und Entwickeln einzuklagen. Das mag nach problemorientiertem Roman der sozial emanzipatorischen Art klingen. Stimmt aber nicht. Und frei bist Du noch lange nicht… ist vielmehr der Emil und die Detektive der Fluchtliteratur: Zusammen mit ihrem kleinen Bruder Ivo und anderen Kindern aus dem trostlosen Düsseldorfer Flüchtlingsheim begibt sich die dreizehnjährige Zippo auf Verbrecherjagd. Es geht um gestohlene Pässe, Ausbeutung von Hilflosen und drohende Abschiebung. So entsteht ein spannender und mitreißender Detektiv- und Abenteuerroman, der von seinen kindlichen Helden, ihrer Solidarität untereinander und ihrem Erfindungsreichtum und Mut lebt und zum selbstbestimmten Nachdenken anregt. Starke Figuren, dramaturgisch kluge Perspektivwechsel, szenisches Erzählen im Präsens mit lebendigen Dialogen und jeder Menge Action sorgen für ein fast filmisches Leseabenteuer. Die spannende Handlung entfaltet sich vor dem Leser wie auf einer Kino-Leinwand, so dass man kaum bemerkt, dass man schließlich auf Seite 376 angekommen ist. Wunderbar ließen sich im Unterricht Kapitel ins Drehbuchformat umschreiben, Szenen nachspielen und diskutieren. Was besonders auffällt im Vergleich zu vielen anderen Büchern zum Thema Flucht: Hier steht kein einsamer Protagonist im Mittelpunkt des Geschehens. Stattdessen erzählt der Roman von einem Wir: „Wir, sechs Freunde aus vier Ländern, die unterschiedliche Sprachen sprechen, aus unterschiedlichen Kulturen kommen, unterschiedlichen Religionen angehören und trotzdem zusammen halten. Wir überwinden die Sprachschwierigkeiten zwischen Arabisch, Deutsch, Russisch und Englisch, weil sich zwei von uns in großer Not befinden.“ Die Zwangsgemeinschaft im Flüchtlingsheim verwandeln die Kinder in eine Interessensgemeinschaft in Form einer klassischen Kinderbande. „Wir FlüchtlingsKidz“ lautet ganz cool eine Kapitelüberschrift. Ob das aus politischer Sicht Integration oder Ghettobildung ist, bleibe dahingestellt. Sicher aber ist, dass literarisch hier Kindern eine Stimme als Helden in einem Themenbereich gegeben wird, in dem sie sonst fast nur als Opfer oder tragische Einzelkämpfer auftreten.

- NvM

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NvM= Nikola von Merveldt
KE= Katja Eder
VK= Vera Kahl
KW= Karina Wrona
KS= Katrin Seewald
KP= Katja Pfeiffer
SB= Sylvia Bogdain
SW= Sarah Wildeisen
JPS= Jule Pfeiffer-Spiekermann
MD= Martin Deutsch
CS= Claus Schertel
BB= Bernadette Baufeld
JK= Jutta Kotzi
AD= Anita Deutsch