pinselfisch - Kunst- & Literaturworkshops für Menschen jeden Alters
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Manchmal male ich ein Haus für uns
Horst, Alea | Mehrdad Zaeri
2021

Elektrische Fische
Kreller, Susan
2019
Nominierung DJLP 2020

Junge ohne Namen
Tasane, Steve
2019
Nominierung DJLP 2020

King kommt noch
Karimé, Andrea | Rassmus, Jens
2017

Vor uns das Meer
Gratz, Alan
2020

Pudel mit Pommes
Lindenbaum, Pija | Text & Illustration
2018

Geschichten aus dem Grandhotel
Loos, Mike (Hrsg.)
2016

Der Traum von Olympia
Kleist, Reinhard | Text & Illustration
2015
Nominierung DJLP 2016

Ein Blick in die deutsche Geschichte
Oltmer, Jochen & Barbian, Nikolaus
2016

Nusret und die Kuh
Tuckermann, Anja | Zaeri, Mehrdad; Krappen, Uli
2016
Nominierung DJLP 2017

33 Bogen und ein Teehaus
Zaeri-Esfahani, Mehrnousch | Zaeri-Esfahani, Mehrdad
2016

Flucht
Glattauer, Nikolaus | Hochleitner, Verena
2016

SPIEL Five! für Flüchtlinge

0

Migrar
Mateo, Jose Manuel | Pedro, Javier MArtinez
2015

Fluchtatlas
Markert, Laura; Moser, Yvonne; Scheuerlein, Lilli
2016

Migrando
Mateos, Marianna Chiesa | Text & Illustration
2010

Die Flucht
Sanna, Francesca | Text & Illustration
2016
Nominierung DJLP 2017

Train Kids
Reinhardt, Dirk
2015
Nominierung DJLP 2016

Jenseits des Meeres
Walter, Jon
2015

Jenseits des Meeres
Walter, Jon
2015

Das Schicksal der Sterne
Höra, Daniel
2015

Sommer unter schwarzen Flügeln
Peer, Martin
2015
Deutscher Jugendliteraturpreis 2016

Vielleicht dürfen wir bleiben
Kringeland Hald, Ingeborg
2015

Zuhause kann überall sein
Kobald, Irena | Blackwood, Freya
2015

Zeit der Wunder
Bondoux, Anne-Laure
2013

Im Meer schwimmen Krokodile
Geda, Fabio
2012

70 Meilen zum Paradies
Klement, Robert
2006

33 Bogen und ein Teehaus
Zaeri-Esfahani, Mehrnousch | Zaeri-Esfahani, Mehrdad
2016


Weitere Titel und Rezensionen folgen!

Manchmal male ich ein Haus für uns
Europas vergessene Kinder

Horst, Alea | Mehrdad Zaeri
80 Seiten, Klett Kinderbuch

Cover

Alea Horst zeigt in diesem Buch das Schicksal von Kindern, die zusammen mit unzähligen anderen, aus Ihrer Heimat fliehen mussten und in Europa auf der Suche nach einer neue Bleibe sind. Dabei sind sie in den berüchtigten Auffanglagern Moria und Tepete gelandet, die in den europaweiten Nachrichten traurige Berühmtheit erlangt haben. Manchmal lustig, aber oft auch tieftraurig, schildern die Kinder ihr Leben und wie sie hier gelandet sind. Wenn sie ihre großen und kleinen Träume schildern und von ihrem schwierigen Alltag erzählen, muss man schon manchmal tief durchatmen. Ausdrucksstarke Fotos geben den Schilderungen ein Gesicht und verdeutlichen, was für wunderbare Kinder hier tagtäglich leiden müssen, aber auch hier und da ein kleines Stück Freude im gemeinsamen Spiel finden können. Erschütternd ist vor allem die Hoffnungslosigkeit die teilweise in den Kommentaren einiger Kinder durchscheint. Der Untertitel "Europas vergessene Kinder" trifft das Problem sehr gut, denn meistens denkt man bei Flüchtlingen unwillkürlich an Erwachsene. Wo von rechten Parteien und Populisten die Angst vor Zuwanderung, Überfremdung, Kriminalität und Sozialbetrug geschürt wird, werden die Kinder, die ihr ganzes Leben eigentlich noch vor sich haben leider viel zu oft vergessen. Wenn man die Motivation, Kreativität und Wissbegierde der Kinder sieht, sollte es allen ein Anliegen sein, Ihnen eine Zukunft zu geben. Hier steckt eine große Chance für unsere überalterten Gesellschaften, die man (nicht nur aus humanitären Gründen) unbedingt ergreifen sollte.

- CS

Elektrische Fische
Kreller, Susan
191 Seiten, Carlsen

Cover

Für Emma, ihren Bruder Dara und ihre Schwester Aoife ist es nicht leicht, als ihre Mutter sie aus Irland in ihre Heimat nach Deutschland umsiedelt. Und dann noch nach Veltow, ein Dorf „...in das  niemand zieht. Wenn überhaupt zieht man von dort weg.“ So tun sie sich sehr schwer. Aoife, die nur sehr wenig deutsch kann, beschließt, gar nicht mehr zu reden. Und Emma weiß, sobald sie einen Plan hat und Aiofe wieder redet, fährt sie zurück zu ihren Großeltern nach Irland. Dann lernt sie Levin kennen, der es zuhause schwer hat mit einer psychisch kranken Mutter. Und der einen Plan für sie entwickelt. Mit Levin wird vieles leichter für Emma, sie merkt es an „dem warmen Gefühl, wenn jemand (Levin) zum ersten Mal deinen Namen sagt.“ Plötzlich aber fühlt sie sich „eingequetscht zwischen Heimaten und dazwischen ist kein Zuhause“. Als Levin ihr den fertigen Plan gibt, ist sie „irgendwie nicht mehr hier, aber auch nicht dort.“ Beginnt sie sich zuhause zu fühlen? Will sie überhaupt noch zurück?

Susan Kreller beschreibt mit einer so schönen Sprache die Gefühle dieser jungen entwurzelten Menschen, dass es eigene Worte für eine Rezension fast nicht braucht. Die Geschichte, die auch überall in Ländern, in denen Geflüchtete zu bleiben hoffen, spielen könnte, zieht den Lesenden in ihren Bann. Obwohl man schon ahnt, dass die Freundschaft mit Levin alles ändern könnte, bleibt es spannend bis zum Schluss. „Home ist, wenn du zum ersten Mal denkst, hier könntest du bleiben“. Besser kann man es nicht beschreiben.

Zu empfehlen für Jugendliche ab 12 Jahren.

- KW

Junge ohne Namen
Tasane, Steve
144 Seiten, Fischerverlage

Cover

„Wer will spielen?“ Diese Frage wird von Kindern überall auf der Welt gestellt. Aber wie und womit und mit wem kann man spielen, wenn man sich in einem Lager für geflüchtete Menschen aufhält – irgendwo. Der Junge, der diese Frage stellt, hat keinen Namen und ist 10 Jahre alt. Er nennt sich in der Geschichte einfach I, seine Freunde heißen L, E und V. Später kommt noch das Kleinkind O dazu. Die Kinder haben sich auf der Flucht gefunden. Sie sind alle unbegleitete, minderjährige Geflüchtete und leben gemeinsam in einer selbst gebauten Hütte auf dem Lagergelände. Nur das eine oder andere gerettete Foto verbindet sie mit ihrer Vergangenheit.

Ein Spiel könnte zum Beispiel so aussehen: Als Geheimagenten Äpfel suchen. „Äpfel“ bedeutet in dem Fall: von den Wärtern weg geworfene Apfelreste. Für diese Kinder, die ständig Hunger haben und bei Essenslieferungen stets den Kürzeren ziehen, ist das schon eine Köstlichkeit.

Der schlimmste Feind sind die Wärter und ist die Langeweile. Die Schule ist gnadenlos überfüllt, eine Art Jugendclub wurde geschlossen. Aber es gibt auch Hilfe. Da ist der junge Freiwillige, der unbeirrt versucht, den Kindern Lesen bei zu bringen. Und da ist vor allem Charity mit ihrem alten Bus, der Frauen und Kindern Zuflucht bietet vor Übergriffen im Lager. An guten Tagen bekommen die Kinder dort ein Frühstück, vor allem aber Zuwendung und Zuspruch von Charity. Ihr Sohn C , der sie begleitet in den Ferien, hat immer seine Handykamera in Aktion, sehr hilfreich, wie sich später heraus stellen wird.

Während I bemüht ist, sich irgendwie mit dem Leben im Lager zu arrangieren so gut es geht, versucht das hartnäckige Mädchen V alle davon zu überzeugen, dass sie unbedingt ein Visum bekommen muss, um zu ihrer Tante in dem schönen, großen Haus zu ziehen. Überhaupt ist das natürlich im Lager das Wichtigste: die Papiere, ein Ausweis, hier „Lebensbuch“ genannt. Denn ohne hat man kein Leben. Doch meistens sind die Papiere bei der Flucht verschwunden, im Wasser gelandet.

Mit dem Kleinkind O vergrößert sich die Kinderfamilie und somit die Zahl der Mitspieler*innen. Im Müll gefundene Plastikfiguren werden neu angemalt zum größten Schatz.

Eines Tages überrascht I seine Freunde mit einem Geschenk: außerhalb des Lagers hat er an einen Baum für jedes Kind aus Blättern, die er mit dem roten Saft von Beeren beschrieben hat, ein neues Lebensbuch gestaltet. Die Kinder sind überglücklich – das Glück währt jedoch nicht lange. Denn plötzlich sind aus dem Lager Schüsse und Geschrei zu hören: aus hygienischen Gründen wird das Lager, das trotz der widrigen Umstände, eine Art Heimat war, geräumt, die Menschen umgesiedelt. Die Kinder finden Zuflucht im Bus von Charity. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach O, der im Chaos der Räumung verschwunden ist.

So begeben sie sich auf eine neue Reise ins Unbekannte.

Ist es ein Zufall, dass die Buchstaben der geflüchteten Kinder zusammen das Wort „Live“ ergeben? Ich glaube nicht.

Das Buch kommt äußerlich als eine Art Kladde daher und beginnt ganz unvermittelt und ohne Titelseite bzw. Vorsatzpapier. Das verleiht ihr etwas Provisorisches, so schnell hin geschrieben, wie das der junge Erzähler auch in seinem Lageralltag nur machen kann. Geschildert wird das Geschehen sehr eindrücklich aus der Perspektive des Jungen I. Er vermittelt jungen, aber auch erwachsenen Lesern nachhaltig, was es bedeutet, in einem Lager zu leben. Die Solidarität der Kinder spielt eine große Rolle, aber auch die Fantasie, mit deren Hilfe sich die Kinder das Lagerleben schön spielen – eine gute Möglichkeit, dem Elend für eine Weile gemeinsam zu entfliehen. Die Namenlosigkeit der Kinder, bzw. die Verwendung einzelner Buchstaben ist beim Lesen schon gewöhnungs-bedürftig. So stehen sie aber auch für bestimmte Menschentypen, die unterschiedlich mit ihrem Schicksal umgehen. Eine scheinbar sachliche Distanz verstärkt die Empathie und man möchte wie Charity, als rettender Engel in jedem Lager vorfahren und die Kinder da raus holen.

Eine sehr berührende Lektüre, die als Diskussionsgrundlage gut in Gruppen verwendet werden kann.

- KS

King kommt noch
Karimé, Andrea | Rassmus, Jens
48 Seiten, Peter Hammer

Cover

„King kommt noch!“, sagt Mama. Das ist Musik in den Ohren des Jungen, der mit seiner Familie seit wenigen Tagen in einem fremden Land ist, wo sie nichts verstehen, weder die Sprache noch die Schrift noch die seltsamen Gebräuche. Was möchte zum Beispiel der Mann, der den Kot seines Hundes auf der Straße aufsammelt, damit anstellen? Warum gibt es eine eigene Straße für Kinder-Hunde-Menschen? Zunächst sehr vorsichtig, dann immer neugieriger erforscht der Junge seine nähere Umgebung und lüftet so manches Geheimnis seines Gastlandes. Und immer wieder kommuniziert er mit King, seinem zuhause gebliebenen Hund, dessen Ankunft er sehnlichst erwartet…
Andrea Karimé zeichnet in ihrem Kinderbuch einen Helden, der sich aus seiner Perspektive die Welt erklärt, die sich für ihn so grundlegend geändert hat. So macht sie ihren Lesern aller Altersgruppen mit einfachen Worten die Schwierigkeiten verständlich, die man als Geflüchteter hat: den Schmerz, Geliebtes zurückgelassen zu haben, die Ohnmacht, ganz von vorne beginnen zu müssen („In dem neuen Land weiß Mama nicht mehr viel. Und Papa auch nicht“) oder die Demütigung, ganz Grundlegendes neu lernen zu müssen („Mama und Papa können hier auch nicht mehr lesen.“).
Ein berührendes, trauriges Buch über Menschlichkeit in einer unmenschlichen Situation.

- MD

Vor uns das Meer
übersetzt von Janina Piel

Gratz, Alan
304 Seiten, Carl Hanser

Cover

In seinem Buch „Vor uns das Meer“ hat Alan Gratz drei unterschiedliche Fluchtgeschichten miteinander verwoben. Obwohl sich alle drei Flüchtlingsschicksale in verschiedenen Epochen und in unterschiedlichen Teilen der Welt abspielen gibt es weit mehr Parallelen als nur das Meer, das alle Protagonisten zu überwinden haben. Josef flieht mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester vor dem Nationalsozialismus aus Deutschland. An Bord des Kreuzfahrtschiffs St. Louis versucht die Familie mit fast 1000 weiteren Juden Kuba zu erreichen um sich dort in Sicherheit zu bringen. Isabel versucht kurz vor der Jahrtausendwende mit ihren Eltern in einem selbstgebauten Boot von Kuba nach Florida zu kommen um den Repressionen durch das Regime von Fidel Castro zu entkommen. Die dritte Geschichte spielt in der jüngsten Vergangenheit, der junge Mahmoud und seine Familie fliehen vor dem syrischen Bürgerkrieg und versuchen sich aus dem umkämpften Aleppo nach Deutschland durchzuschlagen.   

Entbehrungen, Terror, Angst und Schrecken, wenn auch durch unterschiedliche Ursachen bedingt, sind in allen drei Geschichten allgegenwärtig. Dem gegenüber stehen Hoffnung, Sehnsucht und Träume von einem besseren Leben in Sicherheit. In diesem Spannungsverhältnis erzählt das Buch starke Geschichten, die sich an wahren Biographien orientieren. Aus Sicht der Kinder geschrieben wird die Verzweiflung und das Unverständnis über die jeweiligen Situationen noch deutlicher. Spannend und clever erzählt, werden die Geschichten auch über die unterschiedlichen Zeitebenen miteinander verzahnt, was die Leser am Ende mit der einen oder anderen Überraschung belohnt.

Das Buch stellt die Situation von Flüchtenden und ihre Beweggründe sehr anschaulich dar. Somit wird vielleicht auch bei hartgesottenen Abschottungsbeführwortern ein wenig Verständnis geschaffen, dass nur die wenigsten Menschen ihre Heimat gerne und aus freien Stücken verlassen, sondern oftmals lebensbedrohliche Zwänge zur Flucht zwingen, die von den Betroffenen nicht selbstverschuldet wurden. „Vor uns das Meer“ ist ein spannendes, berührendes und interessant komponiertes Buch, dass sich sicher auch für den Schulunterricht gut eignet.

- CS

Pudel mit Pommes
übersetzt von von Kerstin Behnken

Lindenbaum, Pija | Lindenbaum, Pija
72 Seiten, Oetinger

Cover

Die drei weißen Hunde Ullis, Ludde und Katta leben auf einer kleinen Insel, auf der es ihnen an nichts fehlt: sie haben genug Nahrung, einen Pool und ein Haustier, den kleinen Wauwau. Aus klimatischen Gründen versiegen jedoch mit einem Mal ihre Nahrungs- und Wasservorräte, sodass sie sich gezwungen sehen, ihre Heimat über das Meer zu verlassen. Auf hoher See kommen sie in einen lebensbedrohlichen Sturm und erreichen am nächsten Morgen mit letzter Kraft das Ufer. Dort werden sie von drei schwarzen Pudeln begrüßt, zwei davon freundlich und einladend, einer zurückhaltend und ablehnend. Sie werden erstversorgt, jedoch bringt der dritte Pudel die anderen dazu, dass nicht der gesamte Überfluss ihrer neuen Heimat mit den Neuankömmlingen geteilt wird. Am Ende jedoch lernen alle, dass es besser ist, zu teilen und voneinander zu lernen.

Ein schön gestaltetes Bilderbuch für Leser ab 4 Jahren mit sympathischen Charakteren, das das Thema Migration leicht fassbar vermittelt. Breiten Raum nimmt dabei die Frage ein, wie die Wirtschaftsflüchtlinge in die neue Gesellschaft integriert werden können: nämlich vom Überfluss an Nahrung und Platz zu teilen. Das versöhnliche Ende erscheint dabei wie die Utopie von einer besseren Welt, in der Integration und das Voneinander-Lernen von allen Seiten gewollt werden und daher auch gelingen.

Von inhaltlichen Ungereimtheiten abgesehen eine lesenswerte Auseinandersetzung mit dem globalen Thema Nummer eins, das auch durch seine einfache Sprache für das Zielpublikum leicht nachvollziehbar ist.

- MD

Geschichten aus dem Grandhotel
Comic-Reportagen von Augsburger Design-Studierenden Loos, Mike (Hrsg.)

Loos, Mike (Hrsg.)
96 Seiten, Wißner Verlag

Cover

Im Sommer 2015 arbeitete die Projektgruppe Comicwerkstatt der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg am Thema „Flucht und Asyl“. Dabei rückte automatisch das ebenfalls in Augsburg befindliche Grandhotel Cosmopolis ins Blickfeld der Studenten, ein ehemaliges Hotel, welches inzwischen als Flüchtlingsunterkunft mit öffentlichem Café und Kulturbetrieb genutzt wurde. Hier wurden die Studenten fündig und sprachen mit Geflüchteten aus vielen verschiedenen Ländern. So entstanden 8 Comic-Reportagen, die verbunden durch fiktionale Sequenzen und lokale Szenen, persönliche und authentische Blicke auf die Situation in der Hochzeit der Flüchtlingsbewegung wiedergeben. Diese acht Studenten und ihr Professor leisten hier Großes: sie lassen die Geflüchteten selber zu Wort kommen und verleihen ihren Geschichten durch die Zeichnungen eine unmittelbare Kraft. Verschiedene Zeichenstile, unterschiedliche Techniken und eine große Vielfalt in Inhalt und Ausdruck; eindrücklicher kann solche eine Arbeit kaum gelingen. Ein wirklich authentischer Einblick in die letzte große Flüchtlingsbewegung. Chapeau!

- JPS

Der Traum von Olympia
DIe Geschichte von Samia Yusuf Omar

Kleist, Reinhard | Kleist, Reinhard
152 Seiten, Carlsen

Cover

Samia lebt mit ihrer Familie in Mogadishu, Somalia. Als Vertreterin ihres Heimatlandes war sie bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking als Sprinterin dabei. Schon lange träumt Samia davon, Profisportlerin zu werden und trainiert hart. Doch die islamischen Extremisten, die in Somalia an der Macht sind,  lehnen es ab, dass Frauen Sport treiben. Sie wird bedroht, sportliche Entwicklungsmöglichkeiten sind quasi nicht vorhanden. So beschließt Samia eines Tages, zu versuchen, nach Europa zu kommen, um 2012 in London an den Olympischen Spielen teil zu nehmen. In Äthiopien, wo eine Tante von ihr lebt, versucht sie mit dieser gemeinsam, auf ein Boot nach Italien zu kommen. Eine unglaublich beschwerliche, langwierige Reise beginnt, geprägt von Ausbeutung, Menschenverachtung und Entbehrungen. Während fast der gesamten Zeit ihrer Flucht hält Samia über Facebook Kontakt mit ihren Freunden, Reinhard Kleist versucht auch die Facebooknachrichten zu rekonstruieren, wie überhaupt die Geschichte von Samias Flucht. Wie für so viele andere Menschen aus Afrika endet sie auch für Samia tödlich. Reinhard Kleist ist es erneut gelungen, dieses absolut aktuelle und beklemmende Thema auf eindrucksvollste Art zu bearbeiten. Die in schwarz-weiß und Grautönen pinselstrich-leicht gezeichnete Geschichte übt einen immensen Sog aus und lässt einen das Buch nicht aus der Hand legen. Für alle Menschen mit Empathie, besonders aber für jugendliche Leser eine absolute Bereicherung !!!

- JPS

Ein Blick in die deutsche Geschichte
Vom Ein- und Auswandern

Oltmer, Jochen & Barbian, Nikolaus
124 Seiten, Jacoby & Stuart

Cover

„Wir Menschen sind in Bewegung, das ist nichts Neues!“ Das ist die Hauptbotschaft des Sachbuches „Ein Blick in die deutsche Geschichte. Vom Ein- und Auswandern“. Beginnend mit dem Deutschen Reich der 1880er Jahre spannt diese Publikation den Bogen bis in die Gegenwart und beleuchtet dabei in sieben Kapiteln zahlreiche Migrationsbewegungen der letzten 150 Jahre. Dabei werden zahlreiche Themen wie beispielsweise die Arbeitsmigration des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Deportationen und Zwangsarbeit während und nach den beiden Weltkriegen, die Gastarbeiter der 60er und 70er Jahre sowie die aktuelle Situation behandelt. Das Bemühen der Autoren ist bemerkbar, komplexe historische Zusammenhänge möglichst übersichtlich und leicht verständlich zusammenzufassen. Jedes Thema wird auf maximal einer Seite behandelt und durch Aussagen und Lebensgeschichten von Zeitzeugen für die jugendlichen Leser greifbar.

Die eindrücklichen Illustrationen von Christina Rösch erleichtern dem Leser noch die Identifikation mit den vorgestellten Personen, die beispielhaft stehen für den Menschen als homo migrans (Klaus Bade).

Ein wichtiges Buch, das den Blick weitet und die derzeitige Migrationsbewegung in einen größeren Verstehenszusammenhang stellt.

- MD

Nusret und die Kuh
Tuckermann, Anja | Zaeri, Mehrdad; Krappen, Uli
52 Seiten, Tulipan

Cover

Sehnsucht nach zu Hause

Nusret lebt – obwohl er in Deutschland geboren wurde – mit seinen Großeltern in einem kleinen, verlassenen Dorf im Kosovo, während seine Eltern und beide Geschwister in Deutschland geblieben sind. Bald soll auch er wieder zurückkehren und dort zur Schule gehen. Besonders mag Nusret seine Kuh, die zum Symbol seiner Heimat wird. Mit ihr macht er sich kurzerhand selbst auf den Weg in den Norden und kommt nach kurzer Zeit auch dort an. Er lernt Lesen und Schreiben und berichtet seinen Großeltern in Briefen von seinem neuen Leben. Währenddessen hat die Kuh Heimweh nach zu Hause. In den Ferien besuchen alle die Großeltern im Kosovo und lassen die Kuh dort. Die Geschichte endet mit dem Satz: „Alle sind zufrieden und alle haben Sehnsucht.“

Die eindrucksvollen Illustrationen spielen mit den Farbassoziationen des Lesers: während die Bilder der kosovarischen Heimat in Grün und Braun gehalten sind und eine wohlige Wärme ausstrahlen, wechselt das Farbschema auf dem Weg nach Deutschland ins Hellblaue, Kalte; eine atmosphärische Gegenüberstellung von Heimat und Fremde. Bemerkenswert ist auch, dass nur Nusret, seine Großeltern und die Kuh konturiert gezeichnet wurden, Nusrets Eltern und Geschwister bleiben auf dem einzigen Bild, das sie darstellt, eigenartig schemenhaft.

Die Handlung kombiniert realistische mit fantastischen Elementen, was dem Leser den Eindruck vermittelt, dass es sich bei Nusrets Deutschlandreise und –aufenthalt möglicherweise lediglich um eine Vorstellung des Protagonisten handelt.

Eine bemerkenswerte Geschichte über Sehnsucht, Heimat und Fremde.

- MD

33 Bogen und ein Teehaus
Zaeri-Esfahani, Mehrnousch | Zaeri-Esfahani, Mehrdad
146 Seiten, Peter Hammer

Cover

Die damals 11 jährige Ich-Erzählerin Mehrnousch Zaeri-Esfahani schildert ihre Flucht 1985 mit ihrer Familie aus dem Iran über die Türkei nach Deutschland. Der Sturz des Schahs und die Herrschaft des zunächst voller Hoffnung erwarteten Ajatollah Chomeini wird, ähnlich wie in Marjane Satrapis Persepolis, unaufdringlich und dennoch entlarvend aus kindlicher Perspektive geschildert. Erst als die Zwangs-Rekrutierung 12 jähriger Jungen als Kindersoldaten für Mehrnouschs Brüder bedrohlich näher rückt, entschließt sich ihre Familie schweren Herzens zur Flucht. Denn Mehrnouschs Familie liebt ihre Heimatstadt Isfahan und den Fluss Zayaned Rud mit seiner 33-Bogen-Brücke. Dennoch ist die ganze Familie immer wieder bereit, sich in den widrigsten Situationen und unter den schwierigsten Verhältnissen anzupassen, sei es in der Türkei oder in Deutschland. Nach 14 Monaten landen sie endlich in einer kleinen Sozialwohnung in Heidelberg. Die einzelnen Kapitel des Buches sind mit dem Namen der jeweiligen Städte überschrieben, in denen es auf der Flucht längere Aufenthalte gibt, und auch den Flüssen wird Aufmerksamkeit gewidmet. Viele der Umstände um Flucht und Integration dürften sich im Laufe der aktuellen Entwicklung eher noch verschärft haben. Dennoch eine literarische Perle die mitreißt und vieles nachvollziehbar macht...

- JPS

Flucht
Glattauer, Nikolaus | Hochleitner, Verena
32 Seiten, Tyrolia

Cover

Noch ein Buch zum Thema Flucht- aber was für eins: die Katze E.T., die einzig aus dem Grund mitdarf, dass sie 7 zusätzliche Leben hat, berichtet von der Flucht einer 4-köpfigen Familie. Der Versprecher eines italienischen Nachrichtensprechers gab offensichtlich den Anlass für einen Rollentausch: die Familie flüchtet von Europa nach Afrika. Schon alleine für diesen Kunstgriff möchte man Herrn Glattauer küssen, denn sofort stellt sich bei erwachsenen Lesern Irritation ein. Es ist nicht mehr weit weg, was wir immer noch, immer wieder nach „weit weg“ verschieben. Es könnte uns auch betreffen... Aber dieses Randszenario ist für die eigentliche Geschichte nicht wichtig, sowohl Glattauer als vor allem auch Hochleitner gelingt es ganz ausgezeichnet, die Gedanken und Hintergründe, die Umstände und Ängste zu schildern, die jede Flucht begleiten. Die Katze schildert das Treiben und Tun „ihrer“ Menschen mit natürlicher Distanz, aber ohne Wertung. Sie berichtet vom Schrecken der Überfahrt übers offenen Meer, bei dem die Wassergeister besänftigt werden müssen, sie blickt zurück auf die Verhältnisse, aus denen die Flucht der einzige Ausweg war. Die Bildsprache ist klar und beinahe sachlich und konzentriert sich auf die Wiedergabe der Umstände und der Zusammenhänge. Kein falsches Pathos (Danke! Frau Hochleitner!) aber dennoch von überzeugender Eingängigkeit. Mein Favorit für die Arbeit mit jungen Grundschulkindern!

- JPS

SPIEL Five! für Flüchtlinge
Großartige! Spielesammlung mit Anleitungen in 6 Sprachen


Steffen Spiele

Cover

Dieses optisch und haptisch überzeugende Spiel wurde entwickelt, um an Menschen verschenkt zu werden, die in Flüchtlingsunterkünften oft wochenlang auf eine Veränderung ihrer Situation warten. Hauptaugenmerk der Erfinder lag darauf, Spiele mit Spielregeln in den Sprachen der Geflüchteten aufzulegen.

 

Mit dem Satz aus 32 Holzspielsteinen können fünf verschiedene Spiele mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad von Kindern und/oder Erwachsenen gespielt werden. Der Klassiker "Solitär" und das Strategiespiel "Fünf in einer Reihe" kommen mit den schwarzen und weißen Rückseiten der Spielsteine aus, bei "Zahlenpoker", "Hütchenspiel" und dem anspruchs-vollen "Torris" werden die einfachen Symbole der Vorderseiten benutzt.

Die sehr anschaulichen Spielanleitungen liegen in Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Urdu und Tigrinya vor, jeweils zwei Sprachen in einem kleinen Heft. Die (-ebenfalls sehr ansprechend gestaltete und angenehm kleine) Box ermöglicht sprachübergreifend zu spielen und ins Gepräch zu kommen, und die Spiele begeistern Menschen mit und ohne Migrations-hintergrund gleichermassen. So ist das Strategiespiel "Torris" ähnlich komplex wie Schach und ungemein spannend, die Regeln zum Umlegen der Steine bei "Fünf in einer Reihe" erweitern die altbekannte, auf Karopapier in der Schule gespielte, Variante sehr gekonnt.

Die mit Spenden finanzierte erste Auflage des Spiels wurde bereits verteilt, inzwischen gibt es FIVE! auch "halbkommerziell" im Handel zu erwerben - vom Erlös eines verkauften Spieles wird ein weiteres produziert und als Geschenk zur Verfügung gestellt. Vereine, Initiativen, Behörden und Privatpersonen, die FIVE! in Flüchtlingsunterkünften

oder an anderer Stelle einsetzen oder verschenken möchten, finden alle nötigen Informationen (einschließend einem Vergabeformular) unter: www.steffen-spiele.de

- EM

Migrar
übersetzt von Ilse Layer

Mateo, Jose Manuel | Pedro, Javier MArtinez
22 Seiten, Edition Orient

Cover

Das ungewöhnliche Querformat dieses schwarzweißen Buches erklärt sich, sobald man das schmale Stoffband gelöst hat: ein Leporello entfaltet sich als 1,60 m langes Wimmelbild mit seitlichem Textstreifen. In kurzen deutsch - oder spanischsprachigen Textblöcken erzählt ein Kind von seiner mexikanischen Heimat. Nach dem der Vater, wie viele andere Männer des Dorfes, zum Geldverdienen nach Norden gehen musste, bleibt bald dessen finanzielle Unterstützung aus. So sind auch die Mutter und die Kinder gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die kleinteilige Bildgeschichte erzählt von Reisen auf Güterzügen als blinde Passagiere, von Polizei und Hunden, vor denen man sich verstecken und von Wäldern, in denen man übernachten muss. Dass sie am Ende tatsächlich gemeinsam in den USA ankommen, ist nicht selbstverständlich, und den Vater haben sie auch noch nicht gefunden... Wir haben sehr bewegende und intensive Workshops mit Schulklassen zu diesem Buch veranstaltet (siehe Kurzkonzepte) und würden diesem Buch glatt einen Buch-kunstpreis verleihen. Bildausschnitte, die sich als Bilderbuchkino verwenden lassen, kann man vom Verlag kostenlos anfordern. (vgl. auch Internetseite: http://www.edition-orient.de/product_info.php?products_id=590) Tolles Buch!

- JPS

Fluchtatlas
Gefangen in der Freiheit

Markert, Laura; Moser, Yvonne; Scheuerlein, Lilli
144 Seiten, Edition Büchergilde

Cover

Diesen Atlas brauchen alle, die sich mit dem Thema Flucht auseinandersetzen wollen. In den drei Kapiteln: Heimat, Flucht und Schutz werden Fakten und Zusammenhänge beleuchtet, aber auch etliche Einzelschicksale aus der Anonymität der Statistiken geholt. Wir, die wir hinreisen können, wo wir wollen und zurückkehren in Sicherheit, Demokratie und relativ wenig Gewalt, erfahren hier von den zwingenden Notwendigkeiten, den Gefahren und verzweifelten Entbehrungen einer Flucht. Die Welt mit ihren Kriegen, menschenverachtendem Kapitalismus und unglaublichen Formen von Gewalt und Leid wird hier durch Karten, Schaubilder und Fotografien abgebildet. Wir alle sind aufgerufen, hinzuschauen, zu begreifen und dafür zu sorgen, dass die Welt besser wird. Dafür ist nicht viel mehr erforderlich als Menschlichkeit...

- JPS

Migrando
Mateos, Marianna Chiesa | Mateos, Marianna Chiesa
60 Seiten, Orfeu Negro

Cover

2010 in Italien aufgelegt und von Amnesty International mitherausgegeben hat sich die traurige Aktualität dieses Buches in der Zwischenzeit noch gesteigert. Unterdessen ist es richtig schwer zu bekommen (Pinselfisch vermittelt auf Nachfrage einen Verkäuferkontakt), dabei ist es nach unserem Dafürhalten eines der gestalterisch und inhaltlich bemerkenswertesten Bücher zum Thema. Als ein Dreh-Bilderbuch verwebt es mehrere Geschichten und Perspektiven: die sog. Wirtschaftsmigration aus existenzieller Armut und Not, die Flucht vor Gewalt und Krieg zum Anderen - und die Erinnerungen einer weiteren, älteren Person, die ebenfalls Flucht als einzigen Ausweg erlebt hat. Das Buch verzichtet vollkommen auf Text und bleibt daher interpretierbar, es „dreht“ sich die Geschichte jeweils am Rand des Meeres, wo die Gedanken, Hoffnungen und Wünsche fliegen können und versuchen, einen anderen Kontinent zu erreichen. Die einfache aber dennoch poetische Formen- und Bildsprache, die prägnanten Symbole und Farben, alles das trägt dazu bei, aus diesem Buch ein außerordentlich wichtiges und anrührendes Inspirationsobjekt zu machen: für eigene Gestaltungsübungen, Gespräche, Theater und andere Perspektivwechsel. Gerade wegen des offenen Endes eine Bereicherung für alle am Thema interessierten!

- JPS

Die Flucht
übersetzt von Thomas Bodmer

Sanna, Francesca | Sanna, Francesca
48 Seiten, Nord Süd

Cover

Fangen wir hinten an: im Nachwort berichtet die junge Künstlerin von ihrem Kontakt mit geflüchteten Mädchen, die sie in einem Flüchtlingslager in Italien kennenlernte. Sie hat dort Flüchtlingen zugehört und daraus eine Geschichte gemacht, die uns helfen kann, zu verstehen, was „Flucht“ bedeutet...

Eindrucksvolle, grafische Bilder, viel Schwarz, wenn der Krieg ins Bild kommt, oder die Nacht, oder die Angst. Große, monotone Flächen müssen durchwandert werden und immer wieder muss man sich verstecken vor überdimensionalen Wächtern oder Soldaten. Konsequent aus der Sicht eines Kindes erzählt, spielt das Buch auf beeindruckende Weise mit Größen und Mengenkontrasten, jedoch geht die Vereinfachung geht nie zulasten der formalen Ausdruckskraft. Die Bildsprache ist bewegt und entspricht auf zauberhafte Weise der kindlichen Wahrnehmung ohne jemals süßlich zu werden: Mamas Haare sind der Schutzmantel für die Kinder, das erste Mal frei flattern tun sie im Zug in Europa. Herausragend!

- JPS

Train Kids
Reinhardt, Dirk
320 Seiten, Gerstenberg

Cover

Der Junge Miguel trifft an der Grenze Guatemalas vier weitere Kinder, die auf der Suche nach Mutter, Vater oder Bruder die Heimat verlassen und sich auf den langen und gefährlichen Weg durch Mexiko in die USA gemacht haben. Getrieben einzig von der Verzweiflung und von der Hoffnung, dort ihre so lang vermissten Familienangehörigen wieder zu finden, setzen Sie sich den größten Gefahren aus, besiegen Hunger und Durst und erleben sich als verschworene Gemeinschaft. Sie erleiden Gewalt, Diebstahl und niederträchtige Täuschungen, sogar Kidnapping und Folter. Ihnen widerfährt mehr, als jemand alleine aushalten kann. In dieser gemeinsamen Zeit auf den Dächern der Güterzüge erzählen sie sich von ihren Träumen und Hoffnungen, Fernando, der Älteste wird nicht müde, sie mit seinen Geschichten zu warnen und ihnen gleichzeitig die Zeit zu vertreiben. Ständig auf der Hut vor Gangstern, Drogenkartellen, korrupten Polizisten und Menschenhändlern gleicht ihre Flucht einem Spießrutenlauf... Dirk Reinhardt berichtet vom Schicksal dieser Kinder und nimmt den Leser mit, raus aus der Komfortzone und hinein in eine andere, harte Wirklichkeit. Absolut lesenswert!

- JPS

Jenseits des Meeres
Walter, Jon
320 Seiten, Königskinder

Cover

„Jenseits des Meeres“ von Jon Walter liest sich wie ein Filmskript, so anschaulich, dass es einem an manchen Stellen den Atem verschlägt. Besonders die Szene, in der mit Beißzange und ohne Narkose ein Zahn gezogen wird, hat es in sich. Walter beschreibt die Flucht des zehnjährigen Malik mit seinem Großvater aus einem namenlosen Bürgerkriegsland. Der Junge erreicht, mittlerweile auf sich allein gestellt, nach langer Überfahrt auf einem großen Schiff das Land „jenseits des Meeres“, wo er von Lucy, einer „guten Fee“, aufgenommen wird.
Die Tonalität der Erzählung ist gedämpft: Da ist das monotone Stampfen der Schiffsmotoren, das den Boden zum Zittern bringt. Da ist Maliks Herzschlag, als er sich in einem Kleiderschrank versteckt. Die Geschichte ist reich an atmosphärischer Dichte und zieht damit den Leser in den Bann. Dass sie auch verstört, regt zum Innehalten an. Das Stärkste an dem Buch ist aber die Gleichzeitigkeit alltäglicher Szenen und Gedanken aus dem Leben eines Kindes und der Präsenz des Bürgerkriegs. In den Alltagsmomenten aus dem Hier und Jetzt kann sich jeder wiederfinden, Krieg werden die wenigsten Leser kennen. Eine Hypothese drängt sich auf: Was, wenn es mich träfe? Welch ein Glück, in Frieden zu leben.

- KP

Jenseits des Meeres
Walter, Jon
320 Seiten, Königskinder

Cover

In einem namenlosen Land, das sich im Bürgerkrieg befindet, versuchen Malik und sein Großvater an Bord des letzten Schiffs zu kommen, welches das Land noch verlassen kann. Die Preise für die Überfahrt steigen ins Unermessliche und die Aussichten für die beiden sind nicht grade gut. Malik hadert die ganze Zeit mit der ihm unverständlichen Flucht, vor allem mit der Tatsache, dass seine Mutter nicht bei ihm ist. Zwar stellt der Großvater ihr Kommen in Aussicht, man sei am Tag der Abreise beim Schiff verabredet. Aber nach allem was Malik inzwischen erlebt hat, ist er nicht sicher, ob er dem Großvater in diesem Punkt glauben kann. Einfühlsam und konsequent aus der Sicht des Jungen schildert das Buch die Schmerzen, Zweifel und die übergroße Verantwortung von Kindern auf der Flucht. Hierbei verzichtet der Autor weitestgehend auf dramatisierende Extreme und beschreibt die Umgebung und die Umstände so neutral wie möglich. Gerade dadurch wird deutlich, wie hauchdünn die Trennung zwischen der angeblichen Normalität und dem Chaos ist. Ein absolut lesenswertes Buch, welches außerdem die Verzweiflung der Erwachsenen thematisiert, die ihre Kinder und Enkel auf der Flucht großen Gefahren aussetzen müssen, um noch größere Gefahren von Ihnen abzuwenden....

- JPS

Das Schicksal der Sterne
Höra, Daniel
246 Seiten, bloomoon

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Flucht und Vertreibung sind wahrhaftig keinen neuen Phänomene- der vorliegende Roman von Daniel Höra berichtet sehr anschaulich von den Parallelen, die das Flüchten zu allen Zeiten und an allen Orten der Welt hat. Die letzte, große Flüchtlingswelle nach dem Ende des zweiten Weltkriegs verbindet er mit der Aktuellen. Hier erzählt er die Geschichten von Karl und Adib, Karl ist vor 70 Jahren aus Schlesien geflohen und Adib vor knapp Einem aus Afghanistan. In Berlin treffen beide aufeinander und ihrer beider Interesse an den Sternen und an Astronomie bringt sie miteinander ins Gespräch. Obwohl es nicht direkt zwischen ihnen zur Sprache kommt, entwickelt sich doch ein tiefes Verständnis für den jeweils anderen: beide waren zum Zeitpunkt der Flucht zu jung für die große Verantwortung für Mutter und Geschwister, beide erlebten das Ausgeliefert sein auf der Flucht und im neuen Land, beide kennen die Ängste der Flucht und die Kämpfe um Würde und Anerkennung am Zielort. Auf dem Hintergrund dieser Fluchterfahrung entsteht ein tiefe Verbindung, die gegenseitigen Respekt zeigt und Kampfgeist, den man braucht um unter solch schwierigen Bedingungen zu bestehen. Das richtige Buch am richtigen Ort.

- JPS

Sommer unter schwarzen Flügeln
Peer, Martin
530 Seiten, Oetinger

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Nura, genannt Nuri ist mit dem Rest ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland gekommen und in einem Flüchtlingsheim in Mecklenburg -Vorpommern gelandet, in unmittelbarer Nähe zum Meer aber auch zu den Neonazis der Region. Hier wohnt der Sozialneid im Plattenbau: die meisten deutschen Bewohner aus der Umgebung sind Hartz 4-Empfänger und die Asylbewerber bekommen sogar die Kühlschränke gestellt... Die NPD und auch ihre militanten Splittergruppen bekommen hier reichlich Zulauf, Jugendliche ohne Schulabschluss und Zukunft können sich hier ein Selbstbewusstsein erschaffen. So einer ist auch Calvin, aber der ist trotz rechter Clique noch selbstständig in seinem Denken. Ausgerechnet zwischen ihm und Nuri entwickelt sich eine Beziehung, bei der in erster Linie Nuri aus Syrien und von der Flucht erzählt und Calvin, zunächst widerstrebend, zuhört. Calvin gerät zunehmend unter Druck, seine rechten Kumpels wollen klare Bekenntnisse und Calvin ist durch seine Nähe zu den Asylbewerbern selbst in Gefahr... Peer Martin nimmt die Hintergründe ernst, recherchiert gut findet besonders für Nuris Erzählungen eine poetische Sprache, die die Leser in den Bann zieht. Leider sehr aktuell, dieses Buch, unbedingt lesen!

- JPS

Vielleicht dürfen wir bleiben
übersetzt von Maike Dörries

Kringeland Hald, Ingeborg
112 Seiten, Carlsen

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Die Familie des elfjährigen Albin soll von Norwegen nach Bosnien abfgeschoben werde. Albin geht davon aus, dass nur alle Familienmitglieder gemeinsam, also er, Mama und die Zwillinge, abgeschoben werden können. So macht er sich heimlich davon, als der Abschiebetermin klar ist und will so vollendete Tatsachen schaffen. Auf eigene Faust fährt er erst mit dem Bus und klettert dann in einen offenen Kofferraum, um möglichst bis Oslo zu kommen. Bereits seit 5 Jahren hat er mit seiner Mutter und den Geschwistern in Norwegen gelebt. Hier hatte er sich sicher gefühlt, nachdem Albins Vater in Bosnien vor seinen Augen erschossen worden war. Es folgten eine atemlose Flucht, Erschöpfung, Hunger und erneute Gefahren. Und nun ist er auch hier nicht mehr sicher, ob ihn ein Unbekannter freundlich ansieht, oder nur freundlich tut und ihn dann bei der Polizei anzeigt...Albin lernt bei seiner Flucht die Maedchen Lisa und Amanda kennen, bei deren Opa lag Albin im Kofferraum. Erfreulicherweise gibt es warmen Kakao, belegte Brötchen und Menschen mit Herz. Dennoch steht am Ende nur die Hoffnung: VIELLEICHT dürfen sie bleiben...

- JPS

Zuhause kann überall sein
Kobald, Irena | Blackwood, Freya
32 Seiten, Knesebeck

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Dieses Bilderbuch ist im Frühjahr 2015 erschienen und thematisiert das Ankommen in Europa nach einer Flucht aus Afrika. Es wird aus der Sicht des geflüchteten Mädchens berichtet; konsequent ist die kleine Ich-Erzählerin in Rot- und Orangetönen gemalt, was ihre Andersartigkeit auf den ersten Blick deutlich macht. Die an sich sehr vorsichtigen und suchenden Bildlinien entsprechen ihrem Vortasten in einer für sie völlig fremden, europäischen Welt. Hier herrscht eine kühle Farbigkeit, die vermutlich den Temperatur-Empfindungen des Mädchens entspricht. Der Klang der fremden Sprache, dessen Bedeutung sich nicht erschließt, ist für das kleine Mädchen hart und abweisend und fühlt sich an, wie eine kalte Dusche. Ein kleines Mädchen auf dem Spielplatz nimmt endlich Kontakt zu ihr auf,  die Sprachbarriere wird abgebaut, in dem das europäische Mädchen ihrer neuen Freundin stets neue Wörter mitbringt und ihr deren Bedeutung zeigt. Aus diesen Wörtern „webt“ sich das Mädchen eine neue, schützende Decke. Erst nach und nach lernt sie, dass ihre Identität zwar untrennbar mit ihrer Muttersprache verbunden ist, nicht aber automatisch verschwindet, wenn sie diese nicht in ihrer Umgebung hört und versteht. Eine berührende und reichhaltige Geschichte zum Vorlesen für alle Kinder!

- JPS

Zeit der Wunder
übersetzt von Maya v. Vogel

Bondoux, Anne-Laure
192 Seiten, Carlsen

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Kann man eine Geschichte über Flucht, Elend, Hunger und Gewalt als eine Zeit der Wunder betiteln? Unbedingt! Die Geschichte von Koumail und seiner Ziehmutter Gloria, die auf abenteuerliche Weise aus den Kriegswirren des Kaukasus nach Frankreich fliehen, ist eine Geschichte voller Wunder.Da ist erst einmal die wundersame Rettung von Baby Blaise Fortune. Von seiner französischen Mutter wird er bei einem Zugunglück in Georgien der Kaukasin Gloria anvertraut. Fortan heißt er Koumail. Dann ist da Gloria selbst. Gloria lehrt ihn in all dem Unglück, welches ihnen auf der Flucht begegnet, nicht die Hoffnung zu verlieren, sondern immer nach vorn zu schauen. Sie erzählt ihm seine persönliche Geschichte wieder und wieder und lehrt ihn daran zu glauben, dass seine Herkunft im Land der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit seine Rettung sein wird. Als der zwölfjährige Koumail – nachdem er Gloria aus den Augen verloren hat - von den französischen Zollbeamten aufgegriffen wird, wiederholt er also pausenlos, was ihm seine Ziehmutter Gloria eingeprägt hat: Ich heiße Blaise Fortune und ich bin Bürger der französischen Republik, das ist die reine Wahrheit. Als unbegleiteter Minderjähriger ohne Herkunftsnachweis kann Koumail in Frankreich bleiben. Er ist in Sicherheit und bleibt doch rastlos. Als er volljährig ist, macht er sich auf die Suche nach seiner wahren Herkunft… Eine Handlung, welche überall in der Konflikten der Welt hätte spielen können und die aufgrund der momentanen Entwicklung an Aktualität noch zugenommen hat. Die Geschichte deutet die schrecklichen Dinge, die ein Krieg für die Zivilbevölkerung mitbringt nur an, so dass sie bedenkenlos auch jüngeren Kindern schon angeboten werden kann, hier gern natürlich vorgelesen und besprochen.

- KW

Im Meer schwimmen Krokodile
EIne wahre Geschichte

Geda, Fabio
190 Seiten, btb

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„Man tut es einfach und denkt nicht darüber nach.“

Mehr als vier Jahre dauert die Flucht für den 10- jährigen Enaiatollah aus seiner Heimat Afghanistan nach Italien. Um ihn vor den Taliban zu schützen hat seine Mutter beschlossen, ihn allein auf diese Reise zu schicken, indem sie ihn in der Fremde einfach sich selbst überlässt. Enaiat lernt zu überleben. Ohne Geld muss sich der Junge alle Schlepperleistungen durch harte Arbeit verdienen und größtenteils auf der Straße leben. Aber er erfährt unterwegs auch Gutes durch einzelne Menschen. So gibt er die Hoffnung nie auf, erkennt das kleine Glück, wenn es ihm begegnet… Ein starker Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht und eindringlich aufzeigt, was es bedeutet, sich auf diesen Weg zu machen aber auch wie es ist, ohne Sprache in dieser europäischen Welt anzukommen. Uneingeschränkt empfehlenswert für junge Menschen ab etwa 12 Jahren.

- KW

70 Meilen zum Paradies
Klement, Robert
143 Seiten, Jungbrunnen

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Wenn, wie in diesen Tagen, von Obergrenzen für Flüchtlinge und von nationalen Grenzschließungen die Rede ist, dann wird spätestens mit „70 Meilen zum Paradies“ von Robert Klement deutlich, dass dies nicht den Kern des Problems trifft. Mit letzten Kräften und einer großen, vagen Hoffnung machen sich derzeit viele Menschen auf nach Europa, ins vermeintliche Paradies. Im Roman von Robert Klement ist es eine Gruppe afrikanischer Bootsflüchtlinge. Unter ihnen befinden sich der aus Mogadischu stammende Siad und seine 13-jährige Tochter Shara, deren Schicksal für das vieler Afrikaner steht. Die Flüchtlinge in Robert Klements Erzählung stranden nach einer zermürbenden Überfahrt von Tunesien auf Lampedusa und müssen auch dort erkennen, dass sie Rechtlose sind. Zwischen Schweinebaracke und den Fängen der Mafia fristen sie ihr zukünftiges Dasein – wenn sie überhaupt noch am Leben sind.
Die Erzählung ist deshalb so ergreifend, weil sie, wie der Autor schreibt, auf wahre Begebenheiten basiert. Dass das Buch ursprünglich von 2006 ist, tut dem nichts, im Gegenteil: Das Problem hat sich ausgeweitet und zugespitzt. In nüchternem, fast dokumentarischem Ton geschrieben und mit zahlreichen Querverweisen unterlegt, ist das Buch gerade in Schule und Beruf bestens geeignet, um einen differenzierten Diskurs zur Flüchtlingspolitik zu führen.

- KP

33 Bogen und ein Teehaus
Zaeri-Esfahani, Mehrnousch | Zaeri-Esfahani, Mehrdad
146 Seiten, Peter Hammer

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„33 Bogen und ein Teehaus“ muss man in einem Atemzug lesen! Alles beginnt in den 1980er-Jahren im iranischen Isfahan, oder ist es Pripjat bei Tschernobyl? Der Erste Golfkrieg zwingt die Familie der siebenjährigen Mehrnousch Zaeri-Esfahani, Ich-Erzählerin und Autorin des Buchs, zur Flucht in die Bundesrepublik. Das Mädchen erzählt von ihrer Odyssee von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim und davon, als Kind in einem fremden Land zu überleben, wenn man noch nicht einmal weiß, was der Unterschied zwischen Sommeranzug und Schlafanzug ist. In der Schule erlebt sie eine Mischung aus latenter Unsicherheit, Staunen, Glück und Angst. Wie kann ein Kind also verstehen, aus dem Leben – Leben, das diesen Namen auch verdient – herausgerissen zu werden, ohne Grund? Warum flüchten? Mehrnousch gibt mit leisen, poetischen Worten Antwort darauf. Zunächst aber sagt sie: „Ich wollte nicht da sein, wo ich war, und ich wollte nicht die sein, die ich war. (…) Ich spürte mit einem Mal, dass wir für die Länder, in die wir einreisten, nur Ärger bedeuteten und dass uns niemand haben wollte.“

Privilegiert ist, wer in Freiheit und Frieden aufgewachsen ist. Wer Mehrnousch zuhört, wird keine schnellen Urteile mehr fällen. Für Lehrer, Sozialpädagogen und Schüler ab der fünften Klasse im Rückblick mehr als nur eine Erinnerung an die Zeitläufte der 1980er-Jahre, an Tschernobyl durch Mehrnouschs persönliches Schicksal: sie appelliert an unser aller Mitgefühl. Die Autorin selbst hat es im „kalten“ Deutschland einst gefunden.

 

- KP

Weitere Titel und Rezensionen folgen!

NvM= Nikola von Merveldt
KE= Katja Eder
VK= Vera Kahl
KW= Karina Wrona
KS= Katrin Seewald
KP= Katja Pfeiffer
SB= Sylvia Bogdain
SW= Sarah Wildeisen
JPS= Jule Pfeiffer-Spiekermann
MD= Martin Deutsch
CS= Claus Schertel
BB= Bernadette Baufeld
JK= Jutta Kotzi
AD= Anita Deutsch